Kläranlagen werden Kraftwerke

Alle fünf Jahre zeichnet der Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) und Energie Schweiz die besten und ökologischsten Kläranlagen der Schweiz mit der Médaille d’eau aus. Der Preis wurde kürzlich das dritte Mal verliehen. Und auch dieses Jahr sind wiederholt zwei Verbände aus der Region dabei: der Abwasserverband Altenrhein (AVA) und der Abwasserverband Morgental in Steinach (AVM). Die Kläranlagen unternähmen grosse Anstrengungen, um die Energieeffizienz zu erhöhen, heisst es in einer Mitteilung vom VSA und Energie Schweiz. Für die Betreiber der Anlagen ist die Médaille d’eau eine Wertschätzung für die Anstrengungen der vergangenen Jahre.

Wandel zum Energiepark
«Zurzeit beschäftigt uns vor allem das Thema der entstehenden Energiezentrale. Der AVM soll sich zum Energiepark wandeln», sagt Geschäftsführer des Abwasserverbands Morgental (AVM), Roland Boller. Der Neubau soll bis im Jahr 2015 abgeschlossen sein. Mit der Zentrale sollen sechs Energieprojekte realisiert werden. Die umliegenden Gemeinden Steinach, Arbon und Roggwil sollen über die neue Zentrale mit Fernwärme versorgt werden. Zusätzlich befinden sich in der Zentrale vier Gasturbinen, die mit dem anfallenden Gas der Kläranlage Strom produzieren. Das Energieparkprojekt wird in Zusammenarbeit mit dem Stromlieferanten EBM und der Stadt St. Gallen durchgeführt. Weitere Projekte seien bereits in der Umsetzung oder in Planung, sagt Boller. So zum Beispiel die Holzwärmezentrale (HWZ), die sich bereits im Bau befindet. Diese verwertet Altholz, und die gewonnene Energie wird dem Wärmeverbund zugeführt. Zusätzlich soll im Jahr 2015 eine Biogasanlage und eine Photovoltaikanlage in Betrieb genommen werden. «Wir bemühen uns, einerseits mehr Strom einzusparen und andererseits mehr Strom zu produzieren», sagt Roland Boller. Das Ziel sei die Realisierung eines autarken Energiehaushaltes.

Mehr Power im Kraftwerk
Auch der Abwasserverband Altenrhein (AVA) beschäftigt sich mit dem Thema Energieeffizienz. «Wir arbeiten seit geraumer Zeit unter Hochdruck an der Energiefrage. Die Médaille d’eau zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagt der Geschäftsführer des AVA, Christoph Egli. «Der gesamte Energieverbrauch konnte in den vergangenen Jahren um 20 Prozent gesenkt und die Stromproduktion um rund 60 Prozent erhöht werden», sagt Egli. Weiteres Energiepotenzial schlummert im gereinigten Abwasser. In einem Pionierprojekt werde zudem versucht, im Klärschlamm gebundenes Phosphor zurückzugewinnen und thermisch zu nutzen. Dies wäre ein Durchbruch. «Mit diesem Projekt verfolgen wir das Ziel, bestehende Anlagen bestmöglich zu nutzen», sagt Egli.

Trübes Wasser, klarer Gewinn

ALTENRHEIN. 54 047 Frauen, Männer und Kinder sowie viele Betriebe in 13 Gemeinden profitieren von der Arbeit des Abwasserverbandes Altenrhein. In dessen Anlage wurden im vergangenen Jahr über neun Millionen Kubikmeter Wasser oder über neun Milliarden Liter gereinigt. Das sind etwa anderthalb Millionen Kubikmeter mehr als im Vorjahr. Christoph Egli, Geschäftsführer, führt das auf die deutlich höhere Niederschlagsmenge aus den Mischsystemgebieten zurück. Mehr Abwasser gab es aus den privaten Haushalten zu reinigen, weniger aus Industrie- und Gewerbebetrieben. Letzteres sei unter anderem auf die Produktionsschliessung der Kopp AG in Rorschacherberg zurückzuführen.

Und dann waren’s zwei mehr
In naher Zukunft wird durch die Abwasserreinigungsanlage Altenrhein noch mehr Wasser fliessen. Denn im vergangenen Jahr haben sich die Gemeinden Rehetobel mit etwa 2500 Einwohnern und Speicher mit etwa 3400 Einwohnern entschieden, dem Verband beizutreten. «Der Anschluss an unsere Grosskläranlage ist bezüglich der Reinigungsleistung und aus wirtschaftlicher Sicht vorteilhaft», schreibt Christoph Egli. Jetzt würden die Projekte für den Anschluss der Gemeinden ausgearbeitet. Egli sagt, dass der Anschluss von Rehetobel im Jahr 2015 erfolgen könne. In einer zweiten Phase ist dann die Reihe an Speicher, und zwar ungefähr zwei Jahre später.

«So gut wie nie zuvor»
Zufrieden sind Verwaltungsratspräsident Robert Raths und Geschäftsführer Christoph Egli mit der Reinigungsleistung, die «noch nie so gut war wie in diesem Jahr. Die Einleitbedingungen wurden erstmals lückenlos erfüllt.» Besonders bemerkenswert sei diese Tatsache, weil dies mit geringerem Energie- und Fällmitteleinsatz erreicht worden sei.

Erfreulich auch, dass der Energiebedarf weiter vermindert werden konnte, und zwar um über 20 Prozent innerhalb zweier Jahre. In absoluten Zahlen ausgedrückt: von 11,2 auf 8,9 Gigawattstunden. Und positiv auch, dass es nicht mehr stinkt bei der Anlage. «Es sind im vergangenen Jahr keine entsprechenden Reklamationen mehr eingegangen», stellt Egli zufrieden fest. Dass es da oder dort trotzdem einmal zu Geruchsimmissionen im Kanalnetz komme, sei in der Branche in der ganzen Schweiz unumgänglich. Entsprechenden Hinweisen gingen sie selbstverständlich nach. Während des ganzen vergangenen Jahres hätten sie über alle Geschäftsprozesse lediglich sieben Vorfälle mit wenig gravierenden Auswirkungen registriert.

Mehr Gas und Strom
In seinem Rückblick erwähnt Christoph Egli auch die Annahmestation für Speiseabfälle. Entgegengenommen werden von Haushalten, aus Gewerbe und Industrie biogene Abfälle, Gastroabfälle, überlagerte Lebensmittel, Retouren aus dem Detailhandel und Fehlproduktionen. Im ersten vollen Betriebsjahr seien 3732 Tonnen Material angeliefert worden. Eglis Bilanz: «Die Klärgasmenge konnte dank dieser mit vergärten Stoffe um 36 Prozent auf 2,4 Millionen Kubikmeter gesteigert werden, und die in den eigenen Blockheizwerken produzierte Strommenge stieg gar um 45 Prozent auf knapp dreieinhalb Kilowattstunden an.»

All die Anstrengungen um die Energieeffizienz machen sich nicht nur in Zahlen innerhalb der Anlage bemerkbar. Sie werden auch von aussen her honoriert. So wurde der Abwasserverband in diesem Jahr mit der «Médaille d’eau» ausgezeichnet (Ausgabe vom 5. März 2013).

Weniger investiert
Auch finanziell hat sich der Abwasserverband Altenrhein nicht zu beklagen. Die Rechnung 2012 schliesst mit einem historisch tiefen Verschuldungsfaktor und mit einem Ertragsüberschuss von 110 917 Franken ab, dies nach Abschreibungen und Einlagen in verschiedene Vorfinanzierungen in der Höhe von gut vier Millionen Franken.

Investiert wurde im Berichtsjahr mit 2,5 Millionen Franken «weit weniger als in den Vorjahren», sagt Christoph Egli. Budgetiert waren 4,87 Millionen Franken. Egli begründet: «Einige Projekte waren noch nicht ausführungsreif oder haben sich verzögert.» Für das laufende Jahr werden Investitionen von 5,5 Millionen Franken budgetiert.

Die Jahresrechnung 2012 wurde an der Delegiertenversammlung Ende Februar genehmigt.