Rettungseinsatz unter der Erde

Es ist kurz vor 20 Uhr. Einsatzleiter Jürgen Weber trifft am Übungsort beim Wirbelfallschacht Wiggen ein und lässt sich vom ARA-Mitarbeiter, der Alarm geschlagen hat, die Situation schildern. Zwei Leute sind im Stollen, einer liegt verletzt nahe beim Einstieg, der andere befindet sich irgendwo im Kanal, der in Richtung Hauptbahnhof führt.

Bergung mit dem Hubretter
Weber entsendet einen Trupp zum dortigen Schacht. Gleichzeitig beginnen die Feuerwehrleute in den 20 Meter tiefen Wirbelfallschacht einzusteigen, ausgerüstet mit Sauerstoffflaschen und einem Vier-Stoff-Messgerät, das vor zu hohen Konzentrationen giftiger Gase wie Kohlenmonoxid oder Schwefelwasserstoff warnt. Bald schon erhält Weber per Funk die Meldung, der Vermisste beim Hauptbahnhof sei gefunden und wohlauf. Schwieriger gestaltet sich die Bergung beim Schacht Wiggen.

Der Einstieg in den Nebenschacht kostet die Leute viel Zeit, und der Funkkontakt wird immer wieder gestört – Schreien erweist sich im Stollen als effektiver. Schliesslich kann der Verletzte jedoch zum grossen Hauptschacht gebracht werden, und die Bergung mit dem Hubretter beginnt. Um 20.45 Uhr ist er wohlbehalten wieder an der Oberfläche, und auch die Feuerwehrleute haben den Ausstieg geschafft, die Übung wird beendet.

Probleme beim Einstieg
Für die Feuerwehrleute war es nach Einsätzen im Rietli und bei der Sonnenhalde bereits die dritte Übung unter der Erde. «Diese ist aber bei weitem die anspruchsvollste und gefährlichste, weil der Schacht so tief ist. Der heutige Einsatz gibt uns die Möglichkeit, das Bauwerk überhaupt einmal kennenzulernen», sagte Edgar Kohlbrenner, Kommandant der Rorschacherberger Feuerwehr. Die ungewohnte Situation verlangte seinen Leuten einiges ab. Dementsprechend hoch war der Lerneffekt, etwa in bezug auf die Ausrüstung.

«Das Risiko, im engen Einstieg mit den Sauerstoffflaschen stecken zu bleiben, ist zu gross, da müssen wir uns etwas überlegen», zog der Rorschacher Kommandant Kurt Reich bei der Besprechung Bilanz.

Neue Sicherheitsvorkehrungen
Christoph Egli, Geschäftsführer des Abwasserverbandes, beobachtete die Übung mit grossem Interesse. «Es ist völlig anders, sich in einem Gebäude voller Rauch zu orientieren als in der engen Kanalisation. Darum ist es wahnsinnig wichtig, eine solche Situation zu üben.

Wir von der ARA konnten dabei gleichzeitig auch testen, ob die Abläufe in der Alarmierung funktionieren – was tadellos geklappt hat», bilanzierte er.

Für seine Mitarbeiter brachte der abendliche Einsatz vor allem die Einsicht, dass eine Rettung aus dem Kanal viel Zeit in Anspruch nimmt. «Jeder Kanalarbeiter hat immer ein Vier-Stoff-Messgerät und einen Selbstretter dabei, der ihn 20 Minuten lang mit Sauerstoff versorgen kann.

Zudem haben wir die Ausrüstung erneuert und klar geregelt, welche Bauwerke nur zu zweit oder zu dritt gewartet werden dürfen», sagt Egli. In seiner Zeit bei der ARA hat er zwar noch keinen schweren Unfall erlebt, aber: «Notsituationen können leicht entstehen, etwa wegen Gasen oder auch einfachem Stolpern. Für solche Fälle wollen wir gewappnet sein.»