Die Region vom Dreck befreit

Altenrhein. Als Oberbauleiter, Betriebsleiter und Geschäftsführer prägte Urs Keller die bisherigen 40 Jahre des Abwasserverbandes Altenrhein. Nachfolger des Bauingenieurs ist ab morgen Biochemiker Christoph Egli.

Das entspricht der Entwicklung der Abwasserreinigung für die Region Rorschach-Unteres Rheintal-Vorderland: Nach dem Aufbau der Anlage in Altenrhein und des Kanalnetzes von Goldach bis St. Margrethen und Eggersriet bis Walzenhausen sowie dem Ausbau seit 15 Jahren verlagert sich der Schwerpunkt nun zur Optimierung von Reinigungsprozessen.

Pionieranlage abgerundet
Als letzte grosse Neuerung unter Leitung von Urs Keller ging in der ARA Altenrhein der erste Teil einer Niedertemperatur-Bandanlage zum Trocknen von Schlamm mit Energie aus dem gereinigten Wasser in Betrieb. Hier, beim Klärschlamm, leistete der nun in den Ruhestand tretende Geschäftsführer Pionierarbeit mit dem Verwerten als Brennstoff für die Zementindustrie. Heute nutzen zwanzig weitere ARA in der Ostschweiz die Anlage in Altenrhein zum Trocknen ihres Schlamms.

Zuerst besonders Bauaufgaben
Am Anfang standen andere Fragen. Bäche waren Kloaken, im See schwammen Reste industrieller Lebensmittelproduktion, das Wasser wurde getrübt durch Chemisches aus Textilwerken. Eher spät machte sich 1967 auch die Region Rorschach an die Abwasserreinigung. Damit das immer noch belastete Wasser nicht in die Rorschacher Bucht mit Trinkwasserfassungen geriet, wählten die Planer den Standort am Alten Rhein. Unter dem Präsidium von Matthias Staub, damals Gemeindammann von St. Margrethen, bildete sich der Abwasserverband Altenrhein (AVA), dem sich 13 Gemeinden anschlossen. Die Anfrage, Koordinator der riesigen Bauwerke für die Reinigungsanlage und das Kanalnetz zu werden, erreichte den jungen Ingenieur Urs Keller in Amerika. Auf einem Zeltplatz, erinnert er sich, schrieb er bei Kerzenlicht die Bewerbung. Als Oberbauleiter war er dann unterwegs auf bis zu 25 Baustellen, vom riesigen Stollen zwischen Rorschach und dem Fuchsloch bis zu Kanalbauten im Pressverfahren ohne Gräben.

Verlagerung zur Biologie
Nach acht Jahren, ab 1975 floss Abwasser in die ARA Altenrhein. Mit acht Beschäftigten nahm der AVA den Betrieb auf – heute sind es 23, während der Ausbauphase waren es noch einige mehr. Urs Keller wurde als Betriebsleiter berufen. Weiterhin war er auch als Baufachmann gefordert, etwa wenn Abwasser der Rorschacher Feldmühle neutralisiert werden musste, weil es Beton zersetzte.

Die Belastung des Alten Rheins blieb ein kniffliges Problem. Schaum und Farben zogen ihre Spuren von der ARA in den See, auch neue Vorschriften riefen weitergehender Reinigung des Abwassers. Aus Vorarlberg kam die Forderung nach einer Leitung bis in tieferes Seewasser. Urs Keller, der 1987 von Matthias Staub die Geschäftsführung des AVA übernommen hatte, war von einer günstigeren und für die Umwelt wirkungsvolleren Lösung überzeugt: mit Filtration ergänzend zur ohnehin nötigen biologischen Reinigungsstufe. 1991 begannen Ausbauten des AVA für 80 Mio. Fr. und des grösseren Schlammverbundes für 27 Mio. Sie sind jetzt nach Terminplan und zu diesen Kosten abgeschlossen. Und nun zeigen sich auch die Vorarlberger Instanzen zufrieden mit der Wasserqualität im Alten Rhein.

Schweizweit vorne dabei
Altenrhein hielt beim Fortschritt der Abwasserreinigung gut mit, wurde Partner in Erfahrungsgruppen grosser und mittlerer ARA. Der Vergleich von 27 solcher Anlagen in der Schweiz zeigt, dass Altenrhein bei der Restbelastung des Wassers und bei den Kosten besser ist als der Durchschnitt und bei der Schlammtrocknung deutlich günstiger.

In einer solchen Gruppe und zur Dokumentation der AVA-Geschichte wird sich Urs Keller auch im Ruhestand noch mit Abwasser befassen. Mehr Zeit will der Goldacher jedoch nutzen, um die Arbeit seiner Schwester in einem Dorf für Behinderte in Indien zu unterstützen als Spendensammler und wie früher zu malen.

Als neuer AVA-Geschäftsführer startet Dr. sc. nat. Christoph Egli aus Horn. Den Biochemiker mit Erfahrung aus der Forschung und von Tätigkeit in der Lebensmittelindustrie reizte an dieser Aufgabe der Einsatz für Ökologie und für die Öffentlichkeit.

Biochemiker für Bioreaktor
Als Biochemiker eine ARA zu leiten, habe guten Grund: «Sie ist vor allem ein grosser Bioreaktor.» Nachdem die Anlage baulich und technisch auf neusten Stand ist, geht es nun verstärkt um Reinigungsprozesse wie beim angelaufenen Versuch mit neuen Bakterienstämmen, um noch weitergehende Energiegewinnung aus Gas, Schlamm und Wasser oder um die Rückgewinnung von Rohstoffen wie Phosphor.